Aufatmen Blog

Raum für Angehörige und Menschen mit seelischen Belastungen


Mein Familienmitglied ist depressiv – was kann ich tun?

Es ist eine große Herausforderung, die Krankheit Depression bei einem nahestehenden Menschen zu erleben. Für viele Angehörige kommt die Belastung hinzu, für sämtliche Alltagserfordernisse der Familie allein Sorge zu tragen und sich um alle gesundheitlichen und versorgungsseitigen Belange des Familienmitgliedes zu kümmern. Es ist nur normal, dass daher oft auch die Emotionen bei Angehörigen Kopf stehen und Kommunikation untereinander erschwert stattfindet.

Aber Kommunikation ist und bleibt notwendig und selbst wenn der depressiv erkrankte Mensch in Sachen Kommunikation den Rückzug angetreten hat, bleiben Versuche, Kontakt herzustellen doch nicht unbemerkt .

Wie bei allen psychischen Störungen gibt es kein Patentrezept. Es gibt jedoch Ansätze, die anderen Angehörigen bereits geholfen haben in der täglichen Begegnung mit der Krankheit.

Informieren Sie sich über die Krankheit

Manchmal stimmt der Slogan „Gut informiert ist halb gelitten“. Einen neuen informierten Blick auf die Krankheit gewinnnen kann den eigenen Unsicherheiten und  Ängsten sehr entgegenwirken. Es kann Mut machen und für neue Ideen sorgen. Je mehr Sie über die Krankheit Ihres Familienmitgliedes wissen, desto weniger müssen Sie sich ihr ausgeliefert fühlen. Sie können sich mithin besser auf Situationen vorbereiten und gefasster reagieren. Informationen finden Sie beispielsweise bei der Deutschen Depressionshilfe und beim Robert Koch Institut.

Suchen Sie sich Unterstützung

Ich kann es immer wieder nur betonen – ein Ort wo Sie frei sprechen und ihren Gefühlen Raum geben können ist eine Oase für Angehörige. Sie müssen mit dieser Belastung nicht allein fertig werden. Suchen Sie Menschen, die Ihre Gefühle verstehen, die Ähnliches durchgemacht haben. Besuchen Sie Selbsthilfegruppen. Unternehmen Sie etwas mit anderen Menschen. Wenn Ihr Partner bislang den aktiveren Part übernommen hatte, dann trauen Sie sich nun auch allein etwas zu.

Wenn Sie sich selbst bereits am Rande Ihrer Belastungsgrenze fühlen, sind Berater und Therapeuten, die Ihnen supportiven Beistand geben und helfen können, Lebensqualität wiederzufinden, hilfreich. Vielleicht haben Sie diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen oder müssen sich überwinden, das Ungewohnte zu wagen. Geben sie sich einen Ruck und probieren sie es aus – Hilfe ist gar nicht so fern wie man denkt! Gerade für Angehörige ist regelmässige emotionale Entlastung wichtig, erweitert die eigenen Perspektiven, fördert das Aufladen der Batterien und das Bewusstwerden ihrer verschütteten Ressourcen.

Suchen und fördern Sie Ressourcen

Im Gespräch mit Ihrem Familienmitglied können auch Sie Ressourcen fördern. Entwickeln Sie einen Sensor für nicht-depressive Äusserungen und Verhaltensweisen und belohnen bzw. verstärken Sie sie.

Lernen Sie neues Zuhören

Ich habe es ganz bewusst so formuliert – das Zuhören will neu erlernt sein. Wenn Sie Menschen gefunden haben, die Ihnen zuhören, können Sie auch diese Gabe neu entwickeln und Ihrem Familienmitglied zuhören. Oft ist dies wenn man sich schon lange kennt oder über längere Zeit mit der Krankheit gelebt hat, eine Herausforderung. Sicher braucht es hierfür Zeit (und die ist zugegebenerweise heute ein knappes Gut) aber es lohnt sich. Üben Sie neues, bewusstes, nicht bewertendes Zuhören bei nicht-erkrankten Menschen im Alltag.

Wenn Sie Ihrem Familienmitglied bewusstes Zuhören schenken, schaffen sie eine Athmosphäre der Wertschätzung. Ein depressiver Mensch ist oft genau vom Gegenteil überzeugt, nämlich davon, nichts wert zu sein. Hier können Sie die Krankheit kontern. Geben Sie dem Kranken Zeit, seine Gedanken in Worte zu fassen. Kontrollieren Sie Ihre Reaktion. Beschliessen Sie bewusst, das Gesagte nicht zu bewerten und nicht zu unterbrechen. Entscheiden Sie sich, das Gehörte nicht zu kritisieren oder bewertend zu kommentieren.

Den ganzen Menschen sehen

Ihr Partner oder Familienmitglied ist mehr als seine Erkrankung. Versuchen Sie, den Mensch hinter der Krankheit als ihren Gegenüber zu sehen und achten Sie darauf, dass die Gesprächsinhalte sich nicht nur um seine Erkrankung drehen. Lenken sie Ihren Fokus auf Themen des normalen Lebens und versuchen Sie den Depressiven einzubeziehen aber überfordern Sie ihn nicht.

Erwartungshaltung korrigieren

Auch wenn Sie bis hierher alles beherzigt haben (und da wir Menschen sind, ist dies erst mit einer Weile Training realisierbar), erwarten sie bitte keine Besserung für Ihre Zuwendung. Denken Sie daran, dass es eine Erkrankung ist. Zeigen Sie menschliche Wärme und Zuwendung ohne Bedingungen wie Sie es auch für einen Menschen, der einen Herzinfarkt erlitten hat, tun würden.

Ihr Wunsch nach Besserung ist verständlich; für den Kranken jedoch kann dieser wahrgenommene Wunsch eine große Überforderung darstellen, die ihn zum erneuten Rückzug bewegen kann. Denken Sie daran, Depression hat nichts mit Nicht-Wollen zu tun. Depression bedeutet Nicht-Wollen-Können.

 Verzichten Sie auf Rat-Schläge

Natürlich meinen wir im halbwegs gesunden Zustand zu wissen, was richtig und falsch für den Kranken ist. Oft ist dem aber gar nicht so, weil wir in die innere Dynamik der depressiven Erkrankung nicht hineinsehen und verstehen können was der Depressive Mensch gerade inwendig wahrnimmt. Gut gemeinte Ratschläge, künstliches Aufmuntern oder die klassischen Aufforderungen, „sich zusammenzureissen“, sind gerade für depressiv erkrankte Menschen eher Schläge als Rat und verstärken nur die resignierte Stimmung beim Erkrankten.  Was nutzt der beste Rat, wenn er für den Betroffenen schlichtweg nicht umsetzbar ist?

Alltagsstruktur etablieren und unterstützen

Depressive Menschen brauchen strukturierte Alltagsabläufe. Hier können sie als Angehöriger unterstützen, indem Sie die Bedingungen da wo es Ihnen möglich ist,  sicherstellen. Dazu kann gehören: Morgendliches Wecken zur selben Zeit, regelmäßige Essenszeiten, Rituale, die dem Depressiven Halt und Sicherheit geben. Wichtig ist hierbei allerdings, dem Kranken nichts überzustülpen oder etwas zu erzwingen, was er nicht leisten kann. Vermeiden Sie Versagenserlebnisse beim Erkrankten.

Unterstützen durch Nicht-Unterstützen

Wenn es Dinge gibt, die der Betroffene allein verrichten kann und will, ist es sehr wichtig, ihm diesen Teil zu überlassen und nicht zur Hilfe zu eilen bzw. den Job abzunehmen. Denn Depression ist wie eine Lähmung. Umso aufbauender ist es für den depressiven Menschen, wenn er etwas alleine schaffen kann. Etwas alleine bewerkstelligen bedeutet in diesem Fall Ressourcen aufbauen. Wenn man es weg nimmt suggeriert dies dem Erkrankten, dass er zu nichts in der Lage ist und es beim nächsten Mal gar nicht erst versucht.
Ganz wichtig: Bewerten Sie nach getanem Job nicht das Ergebnis, versuchen Sie vielmehr die Errungenschaft trotz aller Mängel zu loben und sich aufrichtig mit dem Betroffenen zu freuen. Freuen Sie sich über seine Freude.

Mit anderen Worten: Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer.

Das Beste noch einmal zum Schluss: Sorgen Sie für sich

Sicher bedeuten alle diese Punkte sehr viel Veränderung für Sie. Denken sie daran, dass es viele andere Menschen mit ähnlichen Herausforderungen gibt. Dass es Experten gibt, die Sie dabei begleiten können, in die neuen Kommunikationsformen hineinzufinden und langfristig Ihre emotionale Belastung lindern. Sie sind es wert!

 


Angehörige: Neue Wege beschreiten

Eine akzeptierende Grundhaltung

Es kann helfen, sich bewusst zu machen, dass es sich bei aller partnerschaftlichen und familiären oder freundschaftlichen Nähe um das Leben eines anderen Menschen mit ganz individuellen Bedürftnissen handelt.

Und das trifft gerade für Menschen zu, die an einer psychischen Störung leiden.

Natürlich ist es in Ordnung, für ein krankes Familienmitglied da zu sein. Geraten Sie jedoch nicht in endlose Diskussionen mit dem Erkankten. Suchen Sie zunächst bei sich nach einer akzeptierenden Grundhaltung. Eine akzeptierende Grundhaltung bedeutet nicht, dass Sie mit den Überzeugungen des Erkrankten übereinstimmen müssen. Ebenso  signalisieren Sie mit einer solchen Haltung nicht, dass Sie sich mit der Erkrankung abgefunden oder ihn gar aufgegeben haben.  Auch bedeutet es nicht, dass Sie irrationale Annahmen bestärken oder Ihre Grenzen nicht setzen.

Es geht vielmehr darum zu signalisieren, dass Sie ihn

  • ernst nehmen,
  • wertschätzen,
  • als Mensch so akzeptieren wie er gerade ist.

Eine akzeptierende Grundhaltung ist das, was sich ein psychisch erkrankter Mensch von den ihm nahestehenden Menschen am meisten wünscht.

Ich habe in meiner Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen beobachtet, dass eine solche Grundhaltung sehr hilfreich ist, um einen Zugang zueinander zu finden und langfristig an einem vertrauensvollen Miteinander zu arbeiten.

Angehörige, die gelernt haben, eine akzeptierende Grundhaltung zu praktizieren, bestätigen, dass sie die Beziehung zu ihrem Familienmitglied erhalten und mithin erneuern konnten.

Überdies konnten sie sich selbst langfristig gedanklich und emotional entlasten.

Akzeptanz hat etwas Heilsames. Sie befreit von der Überzeugung, dinge, die nicht in unserer Macht stehen, ändern zu können (wie z. B. die psychische Krankheit und ihre Symptome wie beispielsweise irrationale Überzeugungen eines anderen Menschen). Sie befreit auch von Schuld- und überzogenen Verantwortungsgefühlen. Sie sortiert unsere Emotionen und hilft uns, Dinge realitätskonform einzuordnen. Genau das ist jetzt notwendig, um einen klaren Kopf zu behalten und Raum für einen neuen Umgang mit der Erkrankung zu schaffen.

Das ist es wert, oder?

Für das Einüben einer akzeptierenden Grundhaltung werden Sie eine längere Zeit brauchen und das ist in Ordnung. Geben Sie sich Zeit und Geduld. Wir sind es nicht gewohnt, so zu denken und gerade in  dieser Situation zuviel von sich zu verlangen, wäre kontraproduktiv.  Versuchen Sie, sich das Erlernen dieser Grundhaltung als langfristiges Ziel zu setzen. Sie müssen nicht perfekt sein. Rechnen Sie mit Unterbrechungen und Rückschlägen. Mir ist kein Mensch bekannt, der diese Haltung je vollständig erlangt hat. Aber Sie können nur für heute in kleinen Schritten mit dem Einüben einer solchen Haltung beginnen:

Kreisen Ihre Gedanken um den Betroffenen, dann machen Sie sich bewusst:

Es ist wie es ist.

Tun Sie dies in einer liebevollen Grundhaltung sich selbst gegenüber. Damit gehen Sie den ersten wichtigen Schritt, die Realität zu akzeptieren.

Verlangen Sie sich nicht zuviel ab. Praktizieren Sie diesen Schritt immer nur einen Tag auf einmal, notfalls eine Stunde, auf einmal.

Denken Sie daran, dass Veränderungen im Leben immer Unsicherheit hervorrufen. Oft kommen diese durch schwerwiegende Ereignisse zustande. Wir können viele Parameter unseres Lebens auf sicherem Grund aufstellen, können uns jedoch nicht aussuchen wann und welche einschneidenden Lebensereignisse uns treffen. Wir können jedoch unsere Reaktion auf diese Ereignisse beeinflussen und mit einer stärkenden Einstellung und gestärkten inneren Ressourcen das Beste daraus machen.

Neue Situationen erfordern neue Haltungen. Auch wenn Sie nichts am gesundheitlichen Zustand Ihres Familienmitglieds ändern können, können sie doch durchaus etwas für sich tun, um gestärkt mit dieser schwierigen Belastungssituation umzugehen. Sie können sich erfahrene Hilfe holen und lernen, ihre inneren Ressourcen zu entdecken und zu nutzen und neue Ressourcen aufzubauen.

Eine achtsame, akzeptierende Haltung kann Ihnen einen ersten neuen Zugang zu dem erkrankten Familienmitglied ebnen. Dies kann der Einstieg in eine neue, veränderte Beziehung sein und Hilfe bieten, von Vorstellungen, die im Kontext der Erkrankung nicht mehr funktionieren, loszulassen.

Sehen Sie Ihren Verantwortungsbereich realistisch.

Denken Sie daran, dass Ihr eigenes Leben weiter besteht und bei aller Verbundenheit und dem Wunsch, zu helfen nicht auch noch durch die Erkrankung zum Erlahmen gebracht werden sollte. Für Ihr eigenes Leben sind Sie zuallererst verantwortlich. Der Umfang Ihres Lebens ist größer und eigenständiger und muss nicht auf die Erkrankung Ihres Familienmitgliedes reduziert sein. Setzen Sie gesunde Grenzen. Gerade das ermöglicht Ihnen, ein starker und verlässlicher Partner für das betroffene Familienmitglied zu sein.

Selbst wenn Sie schon seit langem für einen erkrankten Menschen da sind, können Sie sich stärken und Ihr Leben um neue Ressourcen bereichern. Sie helfen niemandem damit, sich selbst aufzugeben.

Indem Sie sich selbst stärken, stärken Sie auch den Betroffenen und andere Mitglieder Ihrer Familie, die ebenso wie Sie darum ringen, wie sie mit der neuen Situation umgehen können.


Angehörige: Erste Schritte, zweiter Teil

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Oft wird alles Machbare in die Wege geleitet und an den Erkrankten appelliert. Natürlich möchte man den ursprünglichen gesunden Zustand des geliebten Menschen wiederherstellen.
Nicht selten wird kategorisch ausgeschlossen, dass es sich tatsächlich um eine psychische Erkrankung handelt.

Es ist richtig, sich eine zweite Meinung einzuholen und nicht die erst beste Verdachtsdiagnose hinzunehmen. Zusätzlich zur psychiatrischen Abklärung sollte stets eine medizinische Untersuchung vorgenommen werden, um nerurologische oder organische Ursachen auszuschliessen.

Besteht dann allerdings kein Zweifel mehr, dass es sich um eine psychische Erkrankung handelt, machen sich bei vielen Angehörigen Gefühle der Überforderung, Ohnmacht, Enttäuschung, Ärger und mitunter Resignation breit. Das ist eine menschliche Reaktion auf einen unmenschlichen Umstand. Wohlgemerkt, nicht allen Angehörigen ergeht es so, aber vielen. Allerdings ist es wichtig, diese Gefühle nicht an dem Betroffenen auszulassen sondern spätestens dann für sich sich selbst Hilfe zu holen.

Holen Sie sich einen Experten ins Boot.

Die Erfahrung zeigt, dass es gerade für Angehörige hilfreich und entlastend sein kann, wenn sie die Ohnmacht, die Trauer, die Anspannung, das gesamte emotionale Knäuel zu einem erfahrenen Berater oder Psychotherapeuten bringen können, der sie ein Stück des Weges begleitet und dabei hilft, schwierige und mitunter verstörenden Erlebnisse mit der Erkrankung einzuordnen und ihre Gefühle ein Stück weit auffangen und Ihren mit der Krankheit im Zusammenhang stehenden Fragen zu begegnen.

Mit Dingen umgehen, die wir nicht ändern können.

Wir Menschen sind es gewohnt, Ereignisse in unserem Leben selbstständig und auf unsere eigene Art und Weise zu meistern. Wir haben gelernt, einen Schaden schnell und effizient zu beheben. Wenn ein schwieriges Ereignis außerhalb unseres Machbarkeitsbereiches eintrifft, fühlen wir uns überfordert. Erst recht, wenn es nicht uns selbst, sondern die Menschen in unserer Familie betrifft. Unsere Möglichkeiten, auf einschneidende Ereignisse im Leben eines anderen Menschen Einfluss zu nehmen, sind jedoch sehr begrenzt.

Genau aus diesem Grund beginnt der erste sinnvolle und hilfreiche Schritt in der vorliegenden Situation mit der Fürsorge für uns selbst.

Nun kann es gerade Menschen, die die Rolle der allzeit helfenden Hand in der Familie innehaben, schwerfallen, den Fokus ihrer Fürsorge zunächst einmal zurück auf sich selbst zu richten wenn der geliebte Mensch schwer erkrankt ist. Oft empfinden sie Schuldgefühle. Schuldgefühle führen jedoch nicht zu Lösungen und schwächen uns in unserer Handlungsfähigkeit.

Wir können einem anderen Menschen durchaus bei körperlichen Leiden Linderung verschaffen und auch im Gespräch unser Verständnis und Hilfe da, wo sie willkommen ist, anbieten. Wir können medizinische Versorgung, Hilfsangebote in die Wege leiten und selbst bis zu einem gewissen Grad praktische Hilfe leisten. Wir können uns jedoch nicht in den Kopf eines anderen Menschen hineinbegeben. Da psychisch erkrankte Menschen oft Widerstand gegen Hilfe aufbringen weil sie sich aufgrund der Krankheitsauswirkungen bereits in ihrer Autonomie geschwächt fühlen, macht es an dieser Stelle keinen Sinn, weiteren Widerstand zu erzeugen.

Beginnen Sie dort, wo Sie etwas verändern können.

Es gibt einen Bereich, wo wir in der Tat etwas verändern können: Bei uns.

Wenn alles getan ist und professionelle Hilfe für den Betroffenen organisiert ist, dann ist es an der Zeit sich rückzubesinnen, dass Sie ermächtigt und berechtigt sind, Ihr eigenes Leben zu stärken und für Ihre körperliche und seelische Gesundheit zu sorgen. Gerade dies ist in schweren Belastungssituationen notwendig.

Mit dem Gedanken, diese ersten Schritte in die Tat umzusetzen, haben Sie bereits begonnen, der Störung die Stirn zu bieten.

Bleiben Sie dran, immer einen Tag auf einmal.

 


Angehörige: Erste Schritte in die neue Realität

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Besonders Angehörige, die erst kürzlich damit konfrontiert wurden, dass ein nahestehendes Familienmitglied an einer psychischen Störung leidet, befinden sich zunächst in einer Art Schockzustand.

Gerade Eltern, deren jugendliche oder bereits erwachsenen Kinder betroffen sind, trifft es besonders hart wenn sie die akute Symptomatik der Erkrankung erleben.

Auch erwachsene Kinder, die ihre Eltern im akuten Zustand einer psychischen Erkrankung erleben, fühlen sich hilflos und sehen sich oft überfordert und mit vielen Fragen und Gefühlen konfrontiert.

Wenn Sie als Angehöriger gerade mit dem Erleben einer psychischen Erkrankung  konfrontiert sind, möchte ich Ihnen zunächst einmal sagen, dass Ihre Empfindungen ganz normal und in Ordnung sind. Die Beziehung zu einem Familienmitglied oder einem geliebten Menschen ist eine wichtige Ressource in unserem Leben. Auch die Sorge um die berufliche und finanzielle Existenz und nicht zuletzt auch Befürchtungen, Stigmatisierungen im gesellschaftlichen Umfeld zu begegnen, sind keine leichten Begleiter und in dieser Situation völlig verständlich.

Erste Hilfe veranlassen.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle Mut und Kraft zusprechen, die notwendigen Schritte zu veranlassen, die nun wichtig sind. Setzen Sie sich mit einem sozialpsychiatrischen Dienst oder mit einem niedergelassenen Psychiater in Verbindung. Ist die Erkrankung akut und besteht Grund zur Annahme, dass eine Eigen- oder Fremdgefährdung möglich ist, sollten Sie für eine Klinikeinweisung sorgen. Auch wenn Ihnen diese Maßnahme schwer fällt, zögern Sie bitte nicht, denn Sie sorgen für Sicherheit und eine fachärztliche Behandlung der Erkrankung.

Sie können sich durch Hinzuziehen eines sozialpsychiatrischen Dienstes oder mit Hilfe anderer Angehöriger in vielerlei Hinsicht entlasten.

Im Angesicht einer psychischen Erkrankung fühlt man sich oft allein. Auch wenn Sie viele Familienmitglieder um sich herum haben kann es sein, dass Sie sich mit ihren Gefühlen allein gelassen fühlen. Auch das ist ein normaler Umstand, weil jedes Familienmitglied seinen eigenen Weg finden muss, sich der Situation zu stellen.

Hier können sie möglicherweise Unterstützung bei den Selbsthilfegruppen des BApK (Bundesverband der Angehörigen psychisch kranker Menschen) finden und Menschen kennenlernen, die Ihre Situation verstehen und wertvolle Tipps geben können.

 

 


Keine Diagnose – was nun?

Vgnk_smallon Angehörigen psychisch erkrankter Menschen höre ich oft, dass mit ihnen nicht über die Diagnose ihres Familienmitgliedes gesprochen wurde. Obwohl sie den Symptomen der Störung täglich ausgesetzt sind, wird ihnen – meist auf Wunsch des Betroffenen – nicht mitgeteilt, was ihm bzw. ihr eigentlich fehlt. Ärzte, Psychiater und Psychotherapeuten unterliegen ihrer Schweigepflicht.

Wenn psychisch Erkrankte nicht über ihre Diagnose sprechen wollen, liegt dies meist daran, dass sie verständlicherweise Schwierigkeiten haben, sich mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen. Viele – insbesondere die, die an einer akuten Psychose leiden – wissen nicht wie ihnen plötzlich geschieht und fühlen sich ihrem wirklichkeitsfernen Erleben ausgeliefert. Natürlich verursacht dies starke Ängste, gerade auch im Bezug auf die Aussenwelt, die eine andere Wahrnehmung der Dinge hat, die für den Betroffenen nicht zugänglich ist. Hinzu kommt die Sorge, dass andere Menschen nun das eigene Leben steuern könnten und damit sozusagen eine Entmündigung, sprich: der Verlust der Selbstbestimmung und Entscheidungsbefähigung über das eigene Leben, stattfindet.

Versetzen wir uns einmal in diese Lage, wird uns schnell klar, dass die Weigerung des Betroffenen nichts mit uns zu tun hat sondern quasi ein Symptom der Krankheit ansich ist.

Wenngleich es schwierig ist, den Betroffenen im akuten Erkrankungsstadium zu erreichen, kann man doch als Angehörige/r diesen Ängsten begegnen und einiges bewirken. Mehr hierzu in Kürze hier.

Die Erfahrung zeigt auch, dass es schnell schief läuft, wenn man seiner Verzweiflung gegenüber dem Betroffenen Raum gibt und direkt auf den Betroffenen einwirkt.

Sinnvoller ist es, sich selbst direkt an unabhängige Fachleute zu wenden, die sich mit der Symptomatik von psychischen Störungen bzw. psychiatrischen Erkrankungen auskennen. Für Psychotherapeuten und Heilpraktiker für Psychotherapie gehören die Kenntnisse der Allgemeinen Psychopathologie, Krankheitslehre und Diagnostik (Lehre von den psychischen Störungen nach ICD / DSM inkl. Symptomatik) zu ihrem Berufshandwerk. Darüber hinaus können Sie Ihnen Möglichkeiten im Umgang mit dem Betroffenen und Hilfsangebote aufzeigen und Sie dabei unterstützen, angesichts der schwierigen Gratwanderung nicht Ihre eigene seelische Balance zu verlieren.

Um Angehörigen zumindest einen Überblick zu verschaffen, werde ich in der Rubrik Diagnosen verstehen nach und nach einzelne Störungsbilder aufgreifen und die Symptome beschreiben. Natürlich ist eine genaue Diagnose nur bei entsprechender Kenntnis eines Klienten/ Patienten möglich. In jedem Fall kann ich nur empfehlen, sich unabhängige Expertise und Unterstützung an Ihre Seite zu holen. Angehörige aus dem Raum Rhein-Main und Wetterau können sich mit meiner Praxis in Verbindung setzen.